VON ULRICH BANGERT
HEILIGENHAUS | „Ich bin normal!“ Seit Wochen setzte sich der Kunstleistungskurs Q2 der Gesamtschule Heilgenhaus mit diesen Begriff auseinander. „Normal, das ist ein Zustand ohne ungewöhnliche Umstände. In normal steckt auch Durchschnitt, eben ein bisschen langweilig“ , so die Erklärungen dazu von Stephanie Werner.
„Eine politische Partei hat den Werbespruch rausgebracht: `Deutschland – aber normal´. Da wird klar, dass der Begriff ganz kritisch zu betrachten ist“ , forderte die Kunstpädagogin und verwies darauf, dass Kunst zum Denken und Diskutieren anregen soll. „Kunst soll auch weh tun, wir wollen stören“ , beschrieb die Lehrerin die Aufgabe ihres Kurses, dem sie attestierte, dass die Schüler nicht normal sind: „Ihr seid bunt, kreativ, vielfältig – Ihr seid einfach super.“
Der Ort für die Kunstinstallation war ungewöhnlich, aber dafür umso reizvoller: Es handelte sich um die Lagerhalle der Spedition Weiss in Hetterscheidt. Die elf Schüler bauten in vier Lkw-Wechselbrücken ihre Kunst auf. „Wir haben viel mit Scheuermilch geputzt und sind gefragt worden, was wir machen: „Ist das Kunst?“ , umriss Phoenix Grün ihre Erfahrungen aus der Vorbereitungszeit und wurde ein bisschen melancholisch, wenn sie auf diesen Wochenbeginn schaut: „Das ist unsere letzte Schulwoche“ , so die Abiturientin, die das Publikum aufforderte, sich mit den Werken auseinanderzusetzen: „Wir haben viel Kritik eingebaut. Geht in Euch und fragt, was ich für mich normal.“
Dann gab die Sprecherin des Kunst-Leistungskurses den roten Teppich für die „Modenschau“ frei. Als Models hatten sich vier Lehrer der Schule zu Verfügung gestellt, die am Tag zuvor noch nicht wussten, was auf sie zukam. Die Schüler steckten die Lehrkörper in Umhänge aus alten Lkw-Planen. Till Schöne ähnelt einem Lappenclown, immer wieder riss er die bunten Kreppbänder von seiner Kleidung. „Das ist die Zerstörung“ , stellte die Nachwuchskünstlerin den Biologie- und Chemielehrer vor. Eine Kollegin wandelte als Spiegel über den Laufsteg. „Das ist die Egozentrik“ , erklärte die Kurssprecherin. Der Herr im einem wolkenhaften Etwas verkörperte die Emotionen, als Leichtgläubigkeit kam einer daher, der mit den Schlagzeilen einer Boulevardzeitung beklebt war, denen er uneingeschränkten Glauben schenkt. „Das sind alles Eigenschaften, die man kritisch hinterfragen muss.“
Die Schüler hatten Titel und Konzept für die Installation selbstständig entwickelt. Es wurde tatsächlich viel installiert: Fast vier Stunden lang verlegte die Gruppe Kabel und brachte Lichteffekte in Position. In den vier Lkw-Aufbauten gab es vieles zu sehen und lesen, das die Betrachter ins Grübeln brachte. Da wurden viele Gemeinplätze in Frage gestellt. Das Ziel, über das „Normale“ nachzudenken, hatten die jungen Künstler auf alle Fälle erreicht.
Vielleicht mag nicht jeder gleich von den vier Kunstorten gleich angefasst gewesen sein, aber ein Ort tat es ganz gewiss: Ein Tatort! Obwohl Flatterband von der Polizei den Zutritt verbot, ermunterten die Schüler die zurückhaltenden Besucher, die Plane beiseite zu schieben. Ein Mord war geschehen: Das Opfer war schon abtransportiert, aber der Umriss auf dem Boden eines angedeuteten Wohnzimmers zeigte dessen Lage, Blutspuren deuten auf eine schwere Gewalteinwirkung hin. Die „Ermittler“ schalteten UV-Licht ein, um so weitere Spuren sichtbar werden zu lassen. „Wer sich genau umschaut, kann den Täter ausmachen“ , versicherte Phoenix Grün.
Ein schwere Aufgabe, an der auch die Kunstlehrerin zu knacken hatte. „Ich war darin nicht eingebunden“ , versicherte Stefanie Werner, die dennoch von der Leistung ihrer Schützlinge überzeugt war, was in die Benotung einfließen wird. Tatkräftige Unterstützung gab es durch die Spedition Weiss, die den Ausstellungsort bereitstellte und für den Transport der Objekte sorgte.
INFO
Kooperation besteht bereits seit 20 Jahren Die Gesamtschule Heiligenhaus und die Spedition Weiss kooperieren seit 20 Jahren. Nicht nur bei der Kunst, sondern auch im Fach Physik, zum Beispiel bei der anschaulichen Darstellung von der Trägheit der Massen.